Interview mit BWagrar: Wie essen wir in der digitalen Welt?

Foto: Ilja Mess

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Die Land- und Ernährungswirtschaft liegt bei der Digitalisierung mit vorne. Wie diese Entwicklung fortschreitet und welche Folgen sich für die Erzeugung bis zur Esskultur ergeben, skizziert Olaf Deininger im Gespräch mit BWagrar.

Olaf Deininger, Friedrichshafen/Bodensee, bis 2019 Chefredakteur des Handwerk-Magazins, davor Redaktionsleiter Neue Medien beim Deutschen Landwirtschaftsverlag, München, ist Wirtschaftsjournalist, Digitalexperte und schreibt für Zeitungen und Fachmagazine über Food, Medien und neue Technologien. Die Land- und Ernährungswirtschaft liegt bei der Digitalisierung mit vorne. Wie diese Entwicklung fortschreitet und welche Folgen sich für die Erzeugung bis zur Esskultur ergeben, skizziert er in BWagrar.

BWagrar: Herr Deininger, Sie beschäftigen sich in Ihrem Buch ‚Food Code‘ mit der Kontrolle über unser Essen in der digitalen Welt. Wie verändern digitale Technologien die Land- und Lebensmittelwirtschaft?

Deininger: Wir sehen eine zweite Digitalisierung, geprägt von neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Big Data, Internet of Things und einer umfassenden digitalen Integration. Diese Technologien führen dazu, dass sich digital gesteuerte Robotik, preiswert verfügbare vernetzte Sensorik, digital zurück verfolgbare Produkte und Rohstoffe, digital gesteuerte, automatisierte Lieferketten, umfassende Vorhersage- und Prognosesysteme etablieren.

BWagrar: Was folgt daraus für Landwirte?

Deininger: Im Ackerbau, in der Garten- und Plantagenwirtschaft stehen wir am Übergang von der Flächen- zur Bereichs- und Einzelpflanzenbearbeitung, in der Tierhaltung vom Herden- zum Einzeltier-Management.
Intelligente Maschinen wissen, wo jede einzelne Pflanze steht, kennen und analysieren ihren Status. Droht eine Pflanze befallen zu werden, wird sie individuell behandelt.

„Wir müssen ein höheres Verständnis für die neuen Technologien entwickeln.“

Ähnlich in der Tierhaltung: Kamera basierte Lösungen können Tiere individuell unterscheiden und an Verhalten und Bewegungsprofilen erkennen, ob sie eine Krankheit ausbrüten. So kann man einzelne Tiere isolieren und behandeln, bevor sie die ganze Herde anstecken. Damit sinkt der Einsatz von Medikamenten. Ähnliche Systeme optimieren Futtereinsatz oder überwachen Felder mit Satelliten. Andererseits: Krankmachende Haltungsbedingungen kann auch Technologie nicht lösen.

BWagrar: Was ist zu tun, damit die Chancen aus der Digitalisierung überwiegen und mögliche Gefahren erst gar nicht entstehen?

Deininger: Wir müssen ein höheres Verständnis für diese neuen Technologien entwickeln, die unsere Wirtschaft immer stärker beeinflussen. Nur dann können wir beurteilen, wo und wie wir sie gewinnbringend für alle einsetzen.

Ein Beispiel: Der Landwirt wird künftig entscheiden müssen, welche Software- oder Plattform-Lösung für ihn relevant ist. Damit muss er sich mit Fragen der Software-Evaluation auseinandersetzen. Dafür braucht er neues Wissen. Wer vermittelt ihm dies? Die Bauernverbände sollten sich deshalb fragen: Wollen sie als „Befähiger“ oder Wegbereiter wahrgenommen werden, die ihre Betriebe befähigen, mit innovativer Technologie nachhaltiger, ressourcensparender und gesünder zu produzieren?

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